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Der geschüttelte Limerick
von Jürgen Rehm

1. Der normale Limerick

Limericks sind sehr beliebte, kurze Gedichte, und in der Literatur findet man reichlich Bücher und andere Veröffentlichungen dieser Spielart der Poesie.  Limericks in Schüttelreimen sind jedoch Mangelware. Woran liegt das?
Betrachten wir zuerst einmal die Merkmale eines Limericks. Ein Limerick ist ein fünfzeiliges Gedicht mit dem Reimschema aabba, d.h., dass sich die erste, zweite und fünfte Zeile reimen, daneben auch die dritte und vierte untereinander. Die Zeilen mit dem Reim a haben drei Hebungen oder Betonungen, die Zeilen mit dem Reim b nur zwei.
Des weiteren ist der Versfuß zu beachten. Ein Limerick verlangt den Anapäst, aber auch der Jambus wird toleriert. Der Rhythmus der reimenden Zeilen muss strengstens eingehalten werden, damit der Limerick seine volle Wirkung erzielt.
Weiterhin kommt erschwerend hinzu, dass die erste Zeile möglichst auf einem Ortsnamen (oder Eigennamen) enden und die letzte Zeile eine Pointe oder überraschende Wendung enthalten sollte.
Diese Bedingungen bringen einen Durchschnittsdichter schon ins Schwitzen, aber ein geübter Sprachkünstler wird sie meistern. Hier sind nun zwei Beispiel für normale Limericks, einmal mit einfachem und einmal mit Doppelreim:
 

Es war ein Buddhist mal in Kiel,
der reiste sehr gern und sehr viel.
   Mir kam in den Sinn:
   Wo will der wohl hin?
Er sagte: „Der Weg ist das Ziel.“
 

Es waren zwei Boxer in Oxford
versessen ganz wild auf den Boxsport,
   polierten die Fresse
   selbst während der Messe.
Das fand man doch recht paradox dort.
 

Nun sind Schüttelreimer auch Sprachkünstler, und trotzdem gibt es recht wenige geschüttelte Limericks von ihnen.
Dafür gibt es zwei Gründe:
Da ein echter Limerick in der ersten Zeile auf einem Ortsnamen enden muss, ist einige Kreativität gefragt, denn Ortsnamen stehen nicht im Schüttelreimlexikon.
Der nächste und schwerwiegendere Grund ist die Tatsache, dass sich drei Zeilen reimen müssen, nämlich die Zeilen Eins, Zwei und Fünf. Bei einem gewöhnlichen Schüttelreim erreicht man durch das Schütteln nur zwei sich reimende Zeilen. Die Reihen Drei und Vier dürften daher kaum Probleme bereiten.
In der Literatur findet man bei den geschüttelten Limericks zwei Kategorien:

a) den nicht durchgeschüttelten Limerick
b) den komplett durchgeschüttelten Limerick

Diese beiden Kategorien sollen nun eingehender betrachtet werden.
 
 

2. Der nicht durchgeschüttelte Limerick

Bei dem nicht durchgeschüttelten Limerick enthält in der Regel die letzte Zeile keinen Schüttelreim. Doch welche Möglichkeiten gibt es, sich aus der Affäre zu ziehen?
Die Beispiele hierzu werden an der Stadt Rosenheim aufgezeigt.

Limerick mit Wiederholung

Die einfachste Art, die aber bisweilen auch bei den normalen Limericks verwendet wird, ist die, das Reimwort der ersten Zeile zu wiederholen.
 

Ein jüngerer Dichter in Rosenheim,
der findet nicht nur einen Hosenreim.
   Beim Kosen Reime
   und Rosenkeime
entdeckt er noch immer in Rosenheim.

Limerick mit Echoreim

Die nächste Variante stellen die rührenden Reime dar, die neuerdings auch als Echoreime oder Zwillingsreime benannt werden. Hierbei sind die Reimwörter ebenfalls gleich, erlangen aber durch den Zusammenhang eine andere Bedeutung.
 

Es fragt mal ein Dichter in Rosenheim
die Damen, was sich wohl auf Hosen reim’,
   belauert die Damen,
   bedauert die Lahmen
und kehrt dann mit einem Strauß Rosen heim.
 

Limerick mit einfachem Reim

Als dritte Möglichkeit bietet sich an, in der fünften Zeile einen einfachen Reim zu verwenden, der allerdings auch ein Doppelreim sein kann.
 

Es fragte ein Dichter aus Rosenheim
Matrosen, was sich wohl auf Hosen reim’.
   Im lauen Frack
   und Frauenlack
ging er dann mit einem Matrosen heim.
 

In diesem Beispiel ist der letzte Reim ein Doppelreim, wobei jedoch nur ein Teil des Doppelreims variiert wurde.
 
 

3. Der durchgeschüttelte Limerick

Wie lassen sich nun komplett geschüttelte Limericks erzeugen? Hier gibt es wiederum drei Möglichkeiten.

Limerick mit schweifenden Konsonanten

Die wohl am häufigsten gebräuchliche Methode ist die des schweifenden Konsonanten. Um zu verstehen, was ein schweifender Konsonant ist, betrachten wir die folgenden Schüttelreime:

kiffe schlau
Schliffe kau
Kliffe schau
Schiffe klau

Die ersten beiden Zeilen bilden einen gewöhnlichen Schüttelreim, wie wir ihn schon kennen. Die Konsonanten und Konsonantengruppen ,k’ und ,schl’ sind ausgetauscht. Die dritte Zeile ist so aus der ersten entstanden, dass der Konsonant nach der Konsonantengruppe der zweiten Reimsilbe, also das ‚l’, hinter den Anfangsvokal der ersten Reimsilbe rutschte. Hier wurde also der Grundsatz verletzt, dass nur die Anfangskonsonanten getauscht werden dürfen. Da der schweifende Konsonant jedoch zur Gruppe der Anfangskonsonanten gehört, ist dieses Verfahren seit etlichen Jahren zur Bildung neuer Reime toleriert.
Ein neuerliches Schütteln der Anfangskonsonanten bzw. Anfangskonsonantengruppen führt zu dem Reim der vierten Zeile. Hier ist wieder ein ganz gewöhnlicher Schüttelreim, bei dem die Konsonanten ‚kl’ und ‚sch’ ausgetauscht wurden. In diesem Beispiel wurden mit dem schweifenden Konsonanten vier Reime erzeugt. Meistens lassen sich so höchstens drei sinnvolle Silben bilden. Das reicht aber für einen Limerick aus.
Also betrachten wir in den folgenden Beispielen nur die Zeilen 1, 2 und 5.

Schematisch dargestellt ergibt sich bei einem schweifenden Konsonanten das folgende Bild:

x yk
yk x
xk y
y xk

x und y sind hier die Anfangskonsonanten der Reimsilben, wobei k der schweifende Konsonant ist.
 

Hier ist nun die Anwendung auf den Limerick.
 

Es spielt eine Dralle in Kamen
Theater mit Kalle in Dramen.
   Die Dralle liebt Kai,
   der Kalle liebt drei,
doch haut er die Kralle in Damen.
 

In diesem Limerick sind die Reimwörter in den Zeilen 1, 2 und 5:

Dralle in Kamen
Kalle in Dramen
Kralle in Damen

Die ersten beiden Zeilen bilden wieder einen normalen Schüttelreim, während die dritte Zeile dadurch entstanden ist, dass aus der zweiten Zeile das ,r’ im zweiten Reimwort, das hier an zweiter Stelle steht, nun zur ersten Reimsilbe hinübergescheift ist und nun hier an zweiter Stelle steht. Alternativ kann man sich auch vorstellen, dass in der ersten Zeile nur die Anfangskonsonanten ausgetauscht wurden, wobei die Zusammengehörigkeit von ,Dr’ übergangen wurde.
Die vierte Möglichkeit, hier zu schütteln, wäre ,Dalle in Kramen’, die aber hier keinen Sinn ergibt.

In diesem Limerick ist folgende Kombination gebraucht worden:

xk y
y xk
yk x
 

Noch ein Beispiel:
 

Ein trinkfester Bauer zu Schleiden
sprach glashebend schlauer zu beiden
   der wurstigen Diener:
   „Ihr durstigen Wiener,
wär‘s schöner nicht, blauer zu scheiden?“
 

Hier sind die Reimwörter

Bauer zu Schleiden
schlauer zu beiden
blauer zu scheiden
 

Hier befindet ich der schweifende Konsonant nicht in der ersten, sondern in der zweiten Reimsilbe. Ansonsten gilt das oben gesagte, da sich nur die Reihenfolge vertauscht hat.
Die vierte Möglichkeit ,Schauer zu bleiden’ fällt wegen des fehlenden Sinns hier wieder aus.

In diesem Limerick ist folgende Kombination gebraucht worden:

x yk
yk x
xk y

Halten wir fest: Aus dem obenstehenden Schema werden drei Möglichkeiten ausgewählt und in der gewünschten Reihenfolge angeordnet.
 

Limerick mit weiterer Reimsilbe

Die nächste Möglichkeit, Limericks zu erzeugen, besteht darin, eine der am Schüttelreim beteiligten Reimsilben mit einer weiteren Silbe reimend zu schütteln. Wir haben es nun mit drei Anfangskonsonanten bzw. Konsonantengruppen zu tun. Prinzipiell gibt es nun insgesamt sechs Möglichkeiten, die Reime anzuordnen.

xyz
xzy
yxz
yzx
zxy
zyx

So sieht das nun in der Praxis aus:
 

Ein schon alternder Hai freit zu Emden,
und er schwört einen Haieid zu Fremden,
   bei der Flunder zu wachen,
   der, o Wunder, zu flachen.
Und so endet die Freiheit zu Emden.
 

Die Reimsilben sind hier

Hai freit zu Emden
Haieid zu Fremden
Freiheit zu Emden

Aus dem obenstehenden Schema sind die folgenden Zeilen verwendet worden:

xyz
xzy
yxz
 

Die weiteren Möglichkeiten

yzx
zxy
zyx

ergeben die Reimsilben

Freieid zu Hemden
Eiheit zu Fremden
Ei freit zu Hemden

und wurden hier nicht verwendet.
 

Noch ein Beispiel:
 

Ein schlauer Bauer zu Schleiden
sprach „Käm’ doch“ schlauer zu beiden
   hier sitzenden Schweinen,
   den schwitzenden Seinen,
„ein blauer Schauer zu Schleiden!“.
 

Hier sind die Reimsilben

Schlauer Bauer zu Schleiden
schlauer zu beiden
blauer Schauer zu Schleiden

Wendet man das Schema an, so erhält man

xyz
 zy
yxz
 

Wie man an diesem Beispiel sieht, ist es hier nicht einmal notwendig, in jeder Zeile alle Reimsilben aufzuschreiben, um korrekte Schüttelreime zu erzeugen. Zu bemerken ist hier noch, dass beide Limericks wieder auf dem Ortsnamen enden.
 

Limerick mit Tripelreim

Die dritte Möglichkeit, komplett geschüttelte Limericks zu erzeugen, ist die Verwendung des Tripelreims. Diese Variante ist wohl die anspruchsvollste und schwierigste. Meister Werner Terpitz hat beim Schüttelreimertreffen im Jahr 2000 vorexerziert, wie man vorgehen kann, indem er aus drei Silben allein 18 von 36 Möglichkeiten gebildet hat. Sein Vortrag ist im Tagungsband 2000, in der ersten Ausgabe der Schüttelbohnen oder bei www.schuettelreis.de nachzulesen.

Werner Terpitz hatte seine Limericks allerdings nicht mit Ortsnamen gebildet. Das soll aber hier unser Ziel sein.

Beim Tripelreim sind, wie der Name schon sagt, stets drei Reimsilben nötig. Die Anfangskonsonanten werden dabei jeweils im Ringtausch nach rechts oder links geschoben.

xyz
zxy
yzx
oder

xyz
yzx
zxy
 

Was macht den Limerick mit Tripelreim so schwierig? Nun, eine Reimsilbe braucht zwei weitere Reime, mit denen sie die Anfangskonsonanten tauschen kann. Das gilt natürlich auch für die beiden anderen Reimsilben. Erschwerend kommt hier dazu, dass für alle drei Reimsilben auch die gleichen Anfangskonsonanten verwendet werden müssen. Ist man dabei noch auf Ortsnamen angewiesen, schränkt das die Möglichkeiten noch weiter ein. Sind trotz dieser Schwierigkeiten die Reime gefunden, gilt es, grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden und auch einen Sinn hineinzulegen, so dass kein pures Nonsensprodukt entsteht. Ist das überhaupt zu schaffen?

Werfen wir einen Blick auf das folgende Beispiel:
 

Der Hein trinkt in Itzehoe Wein,
gleich stellt sich die Hitze wo ein.
   ‘nen Witz macht er listig,
   darauf lacht er mistig.
So lass doch die Witze, o Hein!
 

Die Reimwörter sind hier

_Itzehoe Wein
Hitze wo _ein
Witze _o Hein

Hier ist die Linksverschiebung der Anfangskonsonanten angewendet worden.

xyz
yzx
zxy

Wie man sieht, ist es möglich, Limericks mit Ortsnamen und Tripelreim zu gestalten. Einige kleine Schönheitsfehler weist der Limerick allerdings auf. Der Ortsname ist zwar vorhanden, und kommt im Reim vor, steht aber nicht am Ende der Zeile. Geht es auch besser?
 

Ein recht kesser Bäcker zu Witten
tät’ wohl besser, Wecker zu kitten,
   wenn die Damen nahten,
   als um Namendaten
am Gewässer kecker zu bitten.
 

Dieser Limerick entspricht in seiner Form wie oben ebenfalls dem Schema der Linksverschiebung.

Hier sind die Reimsilben

kesser Bäcker zu Witten
besser Wecker zu kitten
(Ge)wässer kecker zu bitten
 

Wie man sieht, ist es auch mit Tripelreimen möglich, korrekt geschüttelte Limericks mit Ortsnamen zu erzeugen. In den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten erwarte ich nun eine Schwemme an geschüttelten Limericks.
 

Nachtrag

Die hier beim Limerick aufgezeigten Möglichkeiten, drei Reime zu erzeugen, sind natürlich auch auf alle anderen Reimformen, die drei sich reimende Zeilen erfordern, anwendbar, so z.B. bei manchen Sonetten oder bei Haikus und Senryus.
 
 

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