Schüttelreime aus der „Jugend“
Die speziell der Literatur und den Schönen Künsten gewidmete
Zeitschrift Jugend erschien erstmals 1896 bei Georg Hirth in München;
1940 stellte sie ihr Erscheinen ein. Das großzügig gestaltete,
von Anfang an mit Farbdruck arbeitende Blatt gehörte zu den wichtigsten
Geschmacks- und Meinungsbildnern gerade der Zeit um die Jahrhundertwende.
Für die vorliegende Zusammenstellung konnten die Jahrgänge
1896 bis 1920 durchgesehen werden.
Nach einer ersten Schüttelreimseite mit Zeichnungen von W. Caspari
aus dem Jahr 1899 (vgl. S. 23) – die 1901 ähnlich mit Zeichnungen
von Arpad Schmidhammer wiederholt wird (vgl. S. 26) – bietet die
Jugend bereits 1899 ein umfangreiches Schüttel-Gedicht, die „Schüttelreime
eines Urlaubslosen“, zugeschrieben einem korrespondierenden Mitglied des
Allgemeinen Deutschen Reimvereins namens Josephus und damit an den Beginn
der intensiven Schüttelreimerei im Jahr 1886 erinnernd. Das Gedicht
enthält allerdings nur in den geraden Zeilen Schüttelreime, dazwischen
liegen normale Verse.
In der Folge überwiegen die einfachen Zweizeiler, sehr oft mit
aktuellen politischen Bezügen (auf Roeren, den Kämpfer gegen
die Unsittlichkeit, auf den Hofprediger Stoecker, den Kulturminister von
Studt, den Chef des Zivilkabinetts von Wilhelm II., von Lucanus), aber
auch mit Einbeziehung der damaligen Münchner Kulturszene mit Wedekind,
Reinhardt, Speidel und Roda-Roda.
Von den wenigen Namen oder Pseudonymen ist Roda-Roda bekannt, Erzfragbündl
ist als Anagramm von Franz Dülberg aufzulösen, Aaba ließ
sich mit Hilfe des Wer ist wer? von 1912 als Pseudonym von Alexander Roda-Roda
ermitteln. Johannes Richter (geboren 1864 in Annaberg), war nach einem
Theologiestudium Diakon in Leipzig; 1896 ist er in den Deutschen Schriftstellerverband
eingetreten. Ernst Herold war dagegen biographisch nicht zu verifizieren.
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Abbildung von S. 506 (1899)
Schüttelreime eines Urlaubslosen
von Josephus, Corresp. Mitglied d. Allg. Deutsch. Reimvereins
Beinah ein jeder Gaul der Pflicht,
Wie fügsam und wie fromm er sei,
Macht, daß er nicht zusammenbricht,
Vier Wochen sich im Sommer frei.
Wohl jedem, welcher fern von Prag
Sich einen Sommersitz erwählt,
Wo ihm Herr Kohn nicht Tag für Tag
Denselben faulen Witz erzählt!
Wohl dem, der sich zum Aufenthalt
(Der Tschech, daß er in hätt’, er wollt’
Es gern) erkor den Böhmerwald –
Besonders wenn das Wetter hold!
Wohl dem, der schwärmt für Bier und Kunst
Und sich in München niederläßt,
Wo das Gefühl der Schicksalsgunst
Ihm bald die Augen-Lider näßt!
Wohl dem auch, der Tirol besucht,
Wo’s mächtig rings umher erschallt,
Weil zornentbrannt der Bischof flucht:
„Daß Keiner mir den ‘Scherer’ halt’!“
Wohl dem, der sich den Hochgenuß
Der Reise in die Schweiz erringt,
Wo man per Bahn sich, statt zu Fuß,
Der „Jungfrau“ Gunst bereits erschwingt.
Doch während mancher Sommerplan
Sich nur auf’s feste Land erstreckt,
Zieht’s Viele nach dem Ozean,
Wo schmeichlerisch den Strand er leckt,
Und wo der Badegast in’s Meer
Im Herrenbad voll Wonne sinkt,
Indeß vom Damenbade her
Sein Weib im Glanz der Sonne winkt.
Wär’s just nicht seine, die dort prunkt,
Was liegt daran? – Den Prüden sei’s
Gesagt, daß ich in diesem Punkt,
Den zwanglos heitren Süden preis’!
Dort trennt das schönere Geschlecht
vom starken man im Wasser nicht,
Und wie im Karpfenteich der Hecht
Fährt dort umher manch nasser Wicht,
Daß man an Böcklin’s Bilder denkt. –
Doch ach! Im Sehnsuchts-Zuge flieht
Fernhin mein Denken. – Heimgelenkt
Es jetzt im matten Fluge zieht.
Ich kenne keinen, der verstockt
Noch frohnen im Bureau gewollt,
Wenn Berg und Wald im Sommer lockt
und fern des Meeres Woge rollt.
Manch Sommerreise-Pracht-Plakat
Winkt höhnisch mir, zu beißen an.
Im Hintergrund pfeift’s jetzt grad’:
Es pfeift auf mich die Eisenbahn!
1899, S. 535
Die fesche Miezi hat a Schnüpferl,
Drum singt sie heut kein Schnadahüpferl.
Gar oft schon auf der Eisenbahn
Sah man ‘nen Jüngling beissen an.
1901, S. 497
Bayreuther Schüttelreime
Um Parsifal tönt holdes Weiberlachen,
Doch will die Lieb ihm nicht im Leib erwachen.
Manch kühne That ich Siegfried sehe wagen,
Der Gunther kann nur immer Wehe sagen.
Der Wotan mit dem weiten Hut
Kriegt öfters eine Heidenwut.
1901, S. 508
Cohn’s Schüttelreim
Ich winscht’, dass meine Sarah hätt’
E Bischen von der Saharet.
1901, S. 711
Abbildung S. 778 (1901)
Sehr eifrig sucht sich Kätchen Männer,
Doch flieht sie jeder Mädchenkenner.
Paar wohlgemeinte, leise Hiebe
Erhöh’n der Gatten heisse Liebe.
1901, S. 877
Aufs Land hat unser Kätchen müssen.
Zuviel liess sich das Mädchen küssen.
1902, S. 455
Nennt einer sich erst Meyerbeer 1,
Ist’s wohl kein ächter Bayer mehr.
1902, S. 502
1 Giacomo Meyerbeer, eigentlich Jakob Liebermann
Beer (1791-1864), deutscher Komponist.
Den Mägdlein, die nur flirten möchten,
Wird keiner gerne Myrthen flechten.
1902, S. 509
Den Raucher stets das Rauchen freut,
Den Ehemann oft das Frauchen reut.
Den Juden macht es grosse Noth,
Dass selten ihre Nose grod.
1902, S. 562
Bayreuther Schüttelreim
Ich fürchte, im Bayreuther Haus
Kommt noch der Bärenhäuter ‘raus.
1902, S. 652
Biblische Schüttelreime
War nur im Magen König Saul malad,
So ass er einen Ochsenmaulsalat;
Doch wenn auf ihm des Wahnsinns Schleier lagen,
So musste David ihm die Leier schlagen.
1902, S. 667
Aktuelle Schüttelreime
Brandenburgische Synode
Wie treiben’s doch die Mucker arg
Vom Spreewald bis zur Uckermark!
Oettingen 2
Ka’ Bitten rührten und ka’ Thränen
Den Landstallmeister von Trakehnen.
2 Burchard von Oettingen (1850-1923), preußischer
Oberlandstallmeister. In Trakehnen (Ostpreußen) bestand von 1732
bis 1944 ein großes Pferdegestüt.
für den „Schwarzen Aujust“
Gar mancher, den die Stola ziert,
Daheim vergnügt im Zola stiert.
1902, S. 770
O denket nicht von Käthchen minder,
Es haben öfters Mädchen Kinder.
Ich achte drum nicht minder Käthchen
Und nähm sie gern zum Kinder-Mädchen.
1902, S. 806
Man hat den Bülow 3 wohl gezogen,
Drum ist er auch dem Zoll gewogen.
1902, S. 891
3 Bernhard Heinrich Martin Fürst von
Bülow (1849-1929), Reichskanzler von 1900- 1909.
Gar oftmals hängt bei einem forschen Mädchen
Die Tugend nur an einem morschen Fädchen.
1903, S. 94
Die Hausherrn, die gern Mündchen küssen,
Oft ihrer Dienstmagd künd’gen müssen.
Am Strauche sitzt der Stiegelitz,
Der Turner übt die Liegestütz.
Die Wachtel singt im Birkenwald,
Die Tamarpillen 4 wirken bald.
4 Abführmittel aus Tamarindenfrüchten.
Der Storch stolzirt im Teiche rum,
Gewöhnlich ist der Reiche dumm.
1903, S. 240
Es klapperten die Klapperschlangen,
Bis ihre Klappern schlapper klangen.
1903, S. 596
Prügel-Schüttelreim
Im Schulhaus hört man Kinder heulen:
Da gibt’s was auf die Hinterkeulen.
1903, S. 870a
Stosseufzer eines stud. jur.*)
Ich kann nicht mehr in Jena leben;
Was sollte das mit Lena jeben?
Reginhard
*) Die juristische Fakultät zu Jena hat die Neuerung
angeordnet, daß die Studenten bei der Referendariatsprüfung
exegetische und praktische oder sonstige seminaristische Uebungen vorlegen
müssen, sodaß das Einpauken im letzten Halbjahr unmöglich
wird. „Liegt ein ordnungsmäßiges Studium nicht vor, so ist der
Kandidat auf ein oder zwei Semester zurückzuweisen.“
1904, S. 11
Es ziert Berlin erlauchte Bausucht
Von Rummelsburg* bis an die Saubucht*.
*) Äußerster Osten bzw. Westen von Berlin
1905, S. 552
O lieber Roeren 5, tu’ di net
So fürchten vor der Nudität!
5 Hermann Roeren (1844-1920), Jurist, seit
1893 Mitglied des Reichstags (Zentrum). Roeren wurde bekannt durch seinen
Kampf gegen die öffentliche Unsittlichkeit.
O könnt’ man alle Mucker schlachten,
Dass nie mehr sie ‘nen Schlucker machten!
Wie wär solch Reinemachen süss!
Doch leider steh’n die Sachen - mies.
1906, S. 380
Hoffe nichts vom grossen Flutengotte,
Michel, als von einer guten Flotte.
1906, S. 479
Vom schwarzen Fieber wird Herr Studt 6 gepeinigt;
Wer nicht mitfiebert, wird kaput gesteinigt.
6 Konrad von Studt (1838-1921), Jurist, von
1899-1907 preußischer Staats- und Kulturminister.
Wie der Vesuv auf Herkulanum,
Speit mancher Gift auf Herr Lucanum 7.
7 Friedrich Karl Hermann von Lucanus (183X-1908),
Chef des Geheimen Zivilkabinetts von Wilhelm II.
Mein Vater ist ein Schweinemäster,
Drum ist Fortuna meine Schwester.
Sogar dem herbsten Ritter Posa
Wirst Du am End zu bitter, Rosa!
Lieber nackt ins Bad der „Jugend“ tauche,
als behost in Stöckers 8 Tugendjauche!
1906, S. 494
8 Adolf Stöcker (1835-1909) evang. Geistlicher
und Politiker, 1879-1889 Hof- und Domprediger in Berlin, äußerst
konservativ, auch antisemitisch.
‘s ist schade um das Postfräul’n,
So jung, und hübsch, und Frostbeul’n!
Jugend 1907, S. 495
Sommer
Schüttelreime von Roda Roda 9
Man kann heut’ keinen Ritt erwägen:
Denn erstens ist ‘ne Schweinehitze,
Daß ich sogar im Haine schwitze,
Und dann droht ein Gewitterregen.
So sehr ich mich vor Blitzschlag hüte
– mit Eisen bin ich ja geharnischt –
Ich fürchte, daß im Hage jar nischt
Geringres mir als Hitzschlag blühte.
Drum leg ich ab das Flintentaschel,
Das Elchkolett 10, den Riesendegen –
Erwart zu Hause diesen Regen
Und greife nach dem Tintenflaschel.
So oft mich Glut im Neste bannte,
Hab ich mein Plektrum 11 leis geschwungen
Und manches ist im Schweiß gelungen,
Was selbst Apoll das beste nannte.
1908, S. 633
9 Alexander Roda-Roda, eigentlich Sandor Friedrich
Rosenfeld (1872-1945), österreichischer Schriftsteller.
10 Kollett: veralteter Ausdruck für Wams,
Reiterweste.
11 Plättchen oder Stäbchen zum Anreißen
der Saiten von Zupfinstrumenten.
Es ist der Sachse (Maxe heißt er)
Im Tanz auf einer Haxe Meister.
1908, S. 716
Ein münchnerischer Schüttelreim
Was wüist denn Du, Du blader1) Zwecken2)?
Mir scheint’s, der möcht üns zwaa derblecken.3)
Aaba
1)Blad = dick; 2)Zwecken = Zwerg; 3)derblecken = verhöhnen.
1908, S. 739
Zivil is einem General
Schon aus Gewohnheit reen egal.
Der Leutnant hat meist matte Wadeln –
Selbst diese sind von Watte, Madeln!
Der Stolz der ältsten Wappen leicht
Der Lockung brauner Lappen weicht.
1908, S. 906 Aaba
Was? Keine Semmeln hat se mehr?
Nu, bring sie mir mal Mazze her.
1908, S. 946
Wat nutzt de Jenialität
Wenn se mits Alter dalli jeht?
1908, S. 972 Aaba
Man langweilt sich in Speier fein –
Es ist direkt zum Feuerspein.
Auch ich war einst Antisemit –
Man macht halt so die Sitte mit.
Die Nachricht dir mit Aechzen send ich:
Ich bin seit gestern sechzehnendig.
1908, S. 991 Aaba
In das Gedicht „Unser Tag“ von Gisela Etzel hat sich ein
arger Druckfehler eingeschlichen. Wir berichtigen ihn, indem wir einer
„geharnischten“ Zuschrift unserer hochgeschätzten Mitarbeiterin hier
Raum gewähren:
Liebe Jugend! Das Entsetzen über den Druckfehler
in Zeile 6 meines Gedichtes „Unser Tag“ in Nr. 42 der „Jugend“ hat mich
bis zu folgenden Reimen geschüttelt:
Zum Teufel mit dem Setzer hin,
Der mit so bösem Hetzersinn
In Versen, die ich schrieb der Lieb’,
„Geliebte“ statt „Geliebter“ schrieb!
Bozen, 20.X.08 Gisela Etzel
1908, S. 1047
Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants v. Versewitz
Schüttelreime – wenn nüchtern, schwer.
Kleinigkeit aber beim Sektjlas.
Machte dann Dutzende. Nebenher.
Oft, wenn schon stark bejleckt saß!
Jrade dann! Art von Rausch-Talent!
Aeußert sich erst beim Jelage ...
Bis zur Befeuchtung mit Sekt latent –
Dann tritt plötzlich zu Tage!
1908, S. 1065
Alle Damen hießen „rüde“
Den, der schimpft auf Riesenhüte.
1908, S. 1168b
Mahnung
Suchst du die Ruhe, suchst sonnige Welten:
Ach, da erreichst du das Wonnige selten. –
Kühnlich erstrebe, was Wenige sollten,
Die nur das Starke, das Sehnige wollten.
1908, S. 1216 Erzfragbündl 12
12 Pseudonym von Franz Dülberg (1873-1934),
Theaterschriftsteller, Anagrammdichter und Schüttelreimer.
Im Haar, das schön in Kräus’chen liegt,
Zuweilen auch ein Läuschen kriecht.
1908, S. 1235
Nicht eher schläft der Camarilla Wut,
bis Bülows Haupt in einer Villa 13 ruht.
1909, S. 69
13 v. Bülow (vgl. S. 28, Fußnote
3) kaufte die Villa Malta in Rom als Alterssitz.
Da war ‘ne Gans, ‘ne eklatante,
Die sich die Müller Thekla nannte.
1909, S. 106 Aaba
Zum Tisch der bleichen Literaten
Tat man nur Geistesritter laden.
Sie tranken Wein aus lichten Tassen
Und konnten nicht das Tichten lassen.
1909, S. 198
Ich such den Gegner rein zu schwächen,
Um dann mich an dem Schwein zu rächen.
Verlacht ward manchmal, was erdacht –
Was totgesagt war, das erwacht.
1909, S. 277 Aaba
Aennchen, Aennchen, keine Männchen!
Füll mit Wein mir meine Kännchen!
Hörst du, wie sie beim Kegeln fluchen?
Ich - spielen mit den Flegeln? Kuchen!
1909, S. 297 Aaba
Wenn Willi sich zur Seite wendet,
Der Scherl 14 es in die Weite sendet.
14 August Hugo Friedrich Scherl gründete
1883 in Berlin den Scherl-Verlag, in dem mehrere Tageszeitungen, ab 1904
auch die Gartenlaube erschien. Willi dürfte Kaiser Wilhelm II. sein.
Manch Witzchen wird beim Schmaus gerissen,
Manchmal wird man auch rausgeschmissen!
1909, S. 346
Mein Leben lang ein einzigmal
Aß einst im goldnen Mainz ich Aal.
1909, S. 441 Aaba
Sogar der Josef Kainz 15 ermaß
Den hohen Wert von Mainzer Kaas!
15 Josef Kainz (1858-1910), Schaupieler in
Berlin und Wien.
Wenn man mit seinem Schätzchen spielt,
Verliebt man wie ein Spätzchen schielt.
Es kriegt bei diesem Richard Strauß 16
Selbst Mottl 17 kaum die Strichart raus!
1909, S. 536a Si.
16 Vgl. S. 9, Fußnote 2.
17 Vgl. S. 9, Fußnote 1.
Münchner Schüttelreim
Im Sommer, wenn die Schwüle kimmt,
Man gerne in der Kühle schwimmt.
Zum Keller! Auf! Dort geht e Wind!
Schau, schau! Da ist ja Wedekind 18!
18 Frank Wedekind (1864-1918), Schriftsteller
und Kabarettist
Auch Reinhart 19 , der bei Speidel 20 sitzt,
Aufs frischgefüllte Seidel spitzt
Herr Roda-Roda 21, Radi-Kenner,
kauft sich zwei Stück bei Kathi Renner.
19 Max Reinhardt (1873-1943), Schaupieler,
Regisseur und Theaterleiter.
20 Albert Freiherr von Speidel (1858-1912),
Oberst und Generalleutnant, ab 1905 Hoftheaterintendant in München.
21 Vgl. S. 30, Fußnote 9.
Ringsum labt sich an Haxen sehr
Der wanderlust’gen Sachsen Heer.
1909, S. 589 Si.
Der heil’ge Roeren 22, hört und lacht nicht,
Geht in das Bett stets ohne Nachtlicht.
22 Vgl. S. 29, Fußnote 1.
„Gib her dein Leben oder Geld, o hoher Ramses!“
„Da, wenn’s nich andersch geht, Sie Roher, ham S’es!“
1909, S. 637
Kärtner Schüttelreim
Glaubt’s, ham’s dös z’weg’n uns Bauern than,
Daß baut ham d’ neuche Tauernbahn?
1909, S. 677
Bode spricht:
So sehr ich auch mit Blicken wüte,
Voll schreibt doch von der Wickenblüte.23
1909, S. 717
23 Wilhelm Bode (1845-1929) war Generaldirektor
der Königlichen Museen in Berlin, Karl Voll (1867-1917) Konservator
an der Alten Pinakothek München. Bode war nicht gut auf Voll zu sprechen,
der u. a. die Echtheit der „Madonna mit der Bohnenblüte“ bezweifelt
hatte.
Sie will nichts mehr vom Radeln wissen,
Seitdem ihr jüngst die Wadeln rissen.
J’ai trouvé un opal immense, –
Honny soit, qui mal y pense!
1909, S. 774
Wir wandelten durch manchen Hain,
So wurde endlich Hannchen mein.
1909, S. 850b
Schüttelreim-Rat
‘ne Schöne, die gern Käse ißt,
Wisch’ sich den Mund stets, eh’ se küßt.
1909, S. 1114
Den Adler schreckt kein Büchsenschusserl,
Cohn liebt besonders Schicksenbusserl.
1909, S. 1118a
Antike Schüttelreime (wegen derer Sokrates zum Giftbecher verurteilt
wurde)
Nachdenkliches
An’ Speer trägt jede Amazone,
I glaub, sie wären zahma ohne!
Ankündigung
Um zehn komm’ ich in Delphi an,
Und bin bei Dir um elfi dann!
Ehe-Idyll
Sehr zärtlich nannt’ Helene Mäuschen
Das gutgelaunte Meneläuschen.
1910, S. 107
Des Dichters Gattin hat ‘nen miesen Busen;
Wie mußtet ihr das büßen, Musen!
1910, S. 160
Selbstmörderischer Schüttelreim
Wer nimmer leben mag, erprob’
Mit deutschem Wort den Prager Mob.
1910, S. 161
‘nen Apfel ißt der Bademeister,
Da plötzlich auf ‘ne Made beißt er.
Zankt dich dein Weibchen, altes Haus,
Denk’ deinen Teil und halt’ es aus.
1910, S. 493
In Leipzig in der Pleiße-Stadt
Da sitzt man sich die Steiße platt.
1911, S. 1236
Ostpreußischer Schüttelreim
Marjellchen, komm, trink Bitterwasser,
Und paß mal auf – jleich widd der basser!
1912, S. 1304
Willst Du der Dienstmaid Mündchen küssen,
Wird Deine Frau bald künd’gen müssen!
1913, S. 350
Feldpost-Schüttelreim
Bald send’ ich wieder eine Ladung Geld, Frau!
Man spart enorm, wenn man ist feld-grau!
1915, S. 159
Kontroverse in Schüttelreimen
„O Magistrat, ach, stunde heuer
Uns doch die hohe Hundesteuer!“
Drauf Magistrat: „Zur Stunde heuer
zahlt ihr die ganze Hundesteuer:
Bringt her sofort die Steuerhunde,
Weil Kriegern nur ich heuer stunde!
1915, S. 250 Ernst Herold
Das Baby prangt’ in schmucker Zierde
Bis es sich voll mit Zucker schmierte.
Wer Husten hat, der muß den Hals
Kuriern mit bayrisch Hustenmalz.
Da fiel ihr eine Lock’, o schade,
Gerade in die Schokolade.
Die Robe war so wunderzart
Daß sie sehr bald zum Zunder ward.
1920, S. 846 Johannes Richter
Tom der Schüttelreimer von Paul Simmel
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